Fred Jacobson
"Fred Jacobson gehört zu jenen Künstlern, die unbeirrt von jeder modischen Richtung ihr Werk gestalten, mit altmeisterlicher Akribie in der Technik und mit dem nachdrücklichen Bestreben, auch inhaltlich Wesentliches auszusagen.“
Dr. Ursula Hecker, Münstersche Zeitung, 9.1.1968
Das Konvolut der Werke von Fred Jacobson in der Altrewa Sammlung umfasst rund 1.700 Arbeiten. Dabei handelt es sich vor allem um Zeichnungen, Monotypien, Aquarelle, Gemälde und einige wenige Batiken. Kreide, Tusche, Bleistift und Öl waren seine bevorzugten Materialien. Von seinen Auftragsarbeiten als Gebrauchsgrafiker für das Hannoversche Unternehmen Machwitz oder seiner Tätigkeit als Kinoplakat-Maler ist nur wenig erhalten und überliefert.
Jacobson arbeitete figurativ, und seine Themen waren der Mensch, Natur und Technik. In den 1960er Jahren experimentiere Jacobson, angeregt durch seinen Lehrer an der Werkkunstschule Hannover, Prof. Erich Rhein, mit verschiedenen Techniken und Materialien. In ausgefeilten Monotypien entstand Mitte der 60er Jahre der sogenannte „Kriegszyklus“. Durch die Darstellung geschundener Körper oder zuckender Figuren in Totentanz ähnlichen Reigen verarbeitete er seine als Soldat im Zweiten Weltkrieg erlittenen Traumata.
In den späten 60er Jahren arbeitete er in der Technik der Batik. Diese Werke zeigte er unter anderem in der Galerie Clasing in Münster.
Auf Studienreisen entstanden stille, menschenleere Landschaften oder auch Stadtansichten, die durch ihre durchgehende Linienführung beeindrucken. Jacobson arbeitete in der freien Natur vor dem Modell. Er fertigte klare, reduzierte Kreidebilder, zarte, detaillierte Federzeichnungen bis hin zu der Darstellung von Weidenbäumen, die geradezu als „Baumporträts“ bezeichnet werden können.
In den 1970er Jahren wandte sich Jacobson den Hinterlassenschaften der zivilisierten Gesellschaft zu. Er malte so genannte „Schrottbilder“, in denen die Darstellung verbogener oder verrosteter Metalle den Umgang der Menschen mit als überflüssig erachteten Dingen symbolisiert.
Frauenakte waren ein weiteres großes Thema im Werk Jacobsons, das sein gesamtes Schaffen durchzog.
Stilistisch sind die frühen Arbeiten Jacobsons stark geprägt von seinen beiden Lehrern Harald Schaub und Erich Rhein. Schaub hatte ihn gelehrt, vom Gegenstand ausgehend (Arbeiten nach Modell) zu abstrahieren und die Darstellung auf das Elementare zu reduzieren. Immer wieder ging es um Präzision und die Konzentration auf das Wesentliche. Dies führte bei Jacobson zu einer sicheren, raschen Strichführung, die charakteristisch für seine Arbeiten werden sollte. Erich Rhein dagegen propagierte in seinem Unterricht das Experimentieren mit verschiedenen Materialien und aleatorische, also zufallsbedingte Techniken. Außerdem lehrte er druckgrafische Methoden. Rhein ermutigte Jacobson zu mehr Eigenständigkeit und ebnete ihm dadurch den Weg zu seinem eigenen, unverwechselbaren Stil.
Fred Jacobson bezeichnete sich selbst vor allem als Zeichner, seine Arbeiten als „autonome Zeichnungen“.
- 1967/1968 Münster, Galerie Bernd Clasing: "Fred Jacobson: Graphik", Eröffnungsrede Harald Schaub
- 1969 Salzgitter, Atrium des Lebenstedter Rathauses (zusammen mit Friedel Jenny Konitzer)
- 1971 Münster, Galerie Clasing: "Figurale Batik"; Eröffnungsrede: Harald Schaub
- 1973 Bissendorf, Werkhof Bissendorf, "Fred Jacobson. Figurative Batik, Zeichnung, Monotypie"; Eröffnungsrede: Konrad Kallbach
- 1976 Bissendorf, Werkhof Bissendorf, "Fred Jacobson. Reisen in Irland. Zeichnungen", Eröffnungsrede: Dr. Reinhold Graubner
- 1982 Hannover, Stadtsparkasse an der Goseriede
- 2000, Osnabrück, Atelier Clasing & Langer, "Fred Jacobson: Kohlezeichnungen" (Weidenbäume)
- 2002 Neustadt am Rübenberge, ALTREWA Sammlung im Rosenkrug, "Fred Jacobson - Bilder aus vier Jahrzehnten". Eine Retrospektive zum 80. Geburtstag des Künstlers
- 2009 Neustadt am Rübenberge, Galerie B³ für zeitgenössische Kunst: "Landschafts(t)räume, Ansichten aus dem 20. und 21. Jahrhundert" (Gemeinschaftsausstellung, u.a. mit Arbeiten von Harald Schaub, Fred Jacobson, Bernd Otto Schiffering, Paul Smalian)
- 2010 Neustadt am Rübenberge, ALTREWA Sammlung, Rosenkrug: "die vier weggefährten. Jochen Borsdorf, Fred Jacobson, Friedel J. Konitzer, Harald Schaub. Grafik - Malung - Zeichnung - Skulptur"
- 2014 Worpswede, Künstlerdorf
- 2016 Artkapella, Schkeuditz: "Zwei Künstler aus Tallinn in Esland. Fred Jacobson & Illima Paul."
Nachtseiten des Lebens. Monotypien von Fred Jacobson in der Galerie Clasing
Es gehört zu den besonderen Verdiensten der Galerie Bernd Clasing, durch viele ihrer Ausstellungen mit Künstlern bekannt gemacht zu haben, die vielleicht in der Fachwelt, aber nicht beim Publikum einen Namen hatten (…) Für den in Riga geborenen Fred Jacobson, der jetzt in Hannover als freischaffender Künstler lebt, trifft in besonderem Maße die Berechtigung zu, ihn dem Publikum vorzustellen: Er hat noch niemals in Deutschland ausgestellt, gehört aber zu jeden Künstlern, die unbeirrt von jeder modischen Richtung ihr Werk gestalten, mit altmeisterlicher Akribie in der Technik und mit dem nachdrücklichen Bestreben, auch inhaltlich Wesentliches auszusagen.
Fred Jacobsons primäres Thema sind die Nachtseiten des Lebens. Erinnerungen an die furchtbare Zeit der KZ-Morde werden zu apokalyptischen Visionen, zu Wachträumen, in denen eine andere, schreckliche Wirklichkeit erscheint. Menschliche Gestalten sind überhöht zu einem allgemein gültigen Ausdruck des Leidens oder sie wurden von körperlicher Substanz weitgehend gelöst, zu unheimlichen Figurenarabesken.
Die Empfindsamkeit für die dunkle Zone des Lebens spiegelt sich auch in der Landschaft wider. Sie ist ein dramatisch bewegtes, dämonisches Erscheinungsbild der Natur, Gleichnis für die dunklen Mächte der Welt.
Einen helleren Klang vermag man in den jüngst entstandenen Farbmonotypien zu vernehmen. Hier zeigt sich auch der Drang nach größerer Freiheit der Expression und nach einer illustrativen Kraft, in deren Dienst vor allem die Farbe gestellt ist. Die pastose Malweise verleiht diesen großformatigen Bildern eine leuchtende und doch sensible Schönheit (…).
(Quelle: Dr. Ursula Hecker, Nachtseiten des Lebens. Monotypien von Fred Jacobson in der Galerie Clasing, in: Münstersche Zeitung, 9. Januar 1968)
F. J. Konitzer stellt in Salzgitter aus. Künstlerin setzt "Ismen" außer Kurs - F. Jacobson zeigt Monotypien
(…) Es entspricht auch der Absicht des Kunstvereins, als Gegenstück zu bekannten Künstlern, die schon in Salzgitter ausstellten, solche zu gesellen, die nur selten auf einer öffentlichen Schau vertreten waren. So wird diesmal der 1922 in Reval (Estland) geborene Fred Jacobson mit Monotypien vorgestellt, der von 1952 bis 1957 zuerst in der privaten Malschule Herbert (sic!) Schaub (Steinhude) und dann bei Professor Erich Rhein (Hannover) arbeitete. Der erste Eindruck ist der einer weit fortgeschrittenen grafischen Qualität, die das Thema Mensch in den Vordergrund und das Individuum in seiner Vermehrung zur Gruppe unter erregende Aspekte stellt. Man könnte diese Schöpfungen in empfindungsmäßige Beziehungen zu Brueghels "Höllensturz" bringen, ohne daß damit Jacobson eine Imitation oder etwas ähnliches nachgesagt sei. Interessant ist der Weg zur künstlerischen Reife, der begonnen vom naturalistischen Akt im einzelnen zur Abstrahierung innerhalb der Gruppe führt. Diese Schreckensszenen erscheinen als bildhafte Dokumentation zu dem unsagbaren Leid einer noch nicht allzulange hinter uns liegenden Zeit. Überraschend, daß der ohne Zweifel begabte Künstler, der etwas zu sagen hat, sich erst im Alter von 47 Jahren an eine so aufgeschlossenen Öffentlichkeit, wie die der Kunstfreunde aus Salzgitter, bei der Eröffnung durch solche aus Goslar und Hannover verstärkt, wagte. (…)
(Quelle: Hans Jacobs, F. J. Konitzer stellt in Salzgitter aus. Künstlerin setzt "Ismen" außer Kurs - F. Jacobson zeigt Monotypien, in: Goslarer Zeitung, Dienstag, 21. Januar 1969)
Zwischen Zivilisation und Barbarei
(…) Den Reiz der ersten näheren Begegnung vermitteln die Monotypien des Hannoveraners Fred Jacobson. Er wurde in Reval geboren und war (…) Schüler von Professor Rhein in Hannover. (…) Kein Mensch will seine Bilder sehen, meint er, und irgendwie scheint er damit recht zu haben. Wer will sich schon zeigen lassen, daß der Mensch zu einer ohnmächtigen Leibermasse gehört, die vor tödlicher Macht kapitulieren muß? Man geht lieber lachend darüber hinweg, womöglich käme man noch zu der Erkenntnis, daß der Künstler recht hat.
Menschen ohne Gesichter, deren Hände nach einem Halt krallen und doch nur andere Menschen ohne Gesichter finden, die das gleiche tun: Ein "verzuckender Menschentrümmerhaufen", so nennt Harald Schaub, einer von Fred Jacobsons Lehrern, im Prospekt der salzgitterschen Kunstausstellung das, was Jacobson malt. Dabei ist dieser Trümmerhaufen nicht Schicksal, göttlich bestimmte Apokalypse, sondern Menschenwerk. Jacobson malt die Geknechteten. die Unterdrückten, die Verfolgten, Vertriebenen, die Opfer des Krieges, ein jämmerliches Bild menschlicher Barbarei.
Jacobsons Monotypien sind technische Meisterwerke, zum Teil wirken sie wie Litographien. Wo diese Bilder farbig werden, geraten sie zum Teil grell, zum Teil konventionell harmonisch und verwickeln den Betrachter in Widersprüche. Den Künstler in einigen Jahren wiederzusehen, darauf dürfen die Kunstfreunde gespannt sein. (…)
(Quelle: o. A., Zwischen Zivilisation und Barbarei, in: Salzgitter-Presse, 24.1.1969)
Fred Jacobson stellt zum zweiten Male in Münster aus
"Figurale Batik" ist das Thema dieser Ausstellung, die bis zum 30. November gezeigt wird. Fred Jacobson hat dafür etwa dreißig seiner großformatigen Batiken ausgewählt. (…) Seine neuesten Werke haben fast alle eine Grundthematik: menschliche Figuren. Zumeist ist ein weiblicher Akt zentrale Figur, sich wiederholend, überspielend, in helleren Tönen verschwimmend. Die Figur steht im Mittelpunkt, nicht der Mensch.
Seine leptosomen weiblichen Akte sind makellos schön mit überlangen Beinen, doch gesichtslos wie die Gestalten, die sie umgeben. Wie bei Axel Katz das schematisierte Gesicht kehrt bei Jacobson der weibliche Körper in plakativer Frontansicht immer und immer wieder - ganz ohne Individualität. Die Farben der Großbatiken sind gekonnt und raffiniert komponiert mit überraschenden Effekten.
Mit seinen früheren Schwarz-Weiß-Monotypien erzielte Jacobson mit gesichtslosen menschlichen Konturen expressionistische Ausstrahlungen: Der leidende Mensch in seiner Unterdrückung, Niederdrückung und Bedrängtheit wurde sichtbar. Heute sind die Werke Jacobsons, der fünf Jahre am zweiten Weltkrieg teilnahm, Ausdruck eines mehr heiteren Lebensabschnittes: Die Freude am Anschauen, an Farbe und Form spiegelt sich darin.
Jacobson, Schüler von Harald Schaub, sieht zeichnerisches Können als Grundlage seiner Kunst an. "Man kann erst auflösen, was Form war", sagt er dazu (…).
(Quelle: Hilde Fehrmann, Fred Jacobson stellt zum zweiten Male in Münster aus, in: Neue hannoversche Presse, Freitag, 12. November 1971, S. 14)